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Jorge Mazo heißt der Junge, der vor zwei Wochen in das Jugendgefängnis „Minuto de Dios“ eingeliefert wurde.

Siebzehn Jahre ist er alt. Er hatte sich beim Drogendealen erwischen lassen. Davon dass er Menschen getötet hat, war nicht die Rede. Das hat er bis jetzt für sich behalten. Nun aber hält er es nicht mehr aus. Alpträume plagen ihn, an richtigen Schlaf ist nicht mehr zu denken. Jede Nacht schreckt er schweißgebadet hoch, und tagsüber wird er die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit nicht los. Schließlich wendet er sich an den betreuenden Psychologen, einen, dem er vertraut.

Er redet atemlos, ohne Unterbrechung, es bricht geradezu aus ihm heraus. Elf Jahre war er alt - er erinnert sich, als wäre es gestern gewesen -, als in der Abenddämmerung eines normalen Wochentages, gegen 18 Uhr, eine Gruppe Bewaffneter in Itango, seinem Geburtsort, eindrangen. Die Uniformierten waren Kämpfer der Guerilla FARC. Sie hatten es auf Kinder und Jugendliche abgesehen. Im Nu waren 30 Jungen und Mädchen des Dorfes zusammen getrieben. Sie pferchten sie auf Lastwagen und transportierten sie ab. „Zuerst sperrten sie uns ein in kleine Gehege, wir mussten Tag und Nach aufrecht stehen.“ Dann wurden sie zu alle möglichen Arbeiten im Lager der Guerilla und auf den Überlandmärschen gezwungen. Jorge musste Gepäck, Nahrung und Waffen schleppen. Sie hielten sich in den Bergen auf, nicht weit von Ituango entfernt. Die Gegend ist in Kolumbien als Kokaanbaugebiet berüchtigt. „Zwei Jahre später lebten von den 30 entführten Kindern noch 15.“

Nach der Eingewöhnungszeit kam die härteste Übung, die "Probe" für den Ernstfall: Die Jungen und Mädchen sollten lernen, wie man tötet. Alle hatten diese Aufgabe zu bestehen. Jeder einzelne musste eine ganze Familie töten, samt Frauen und Kindern. Wer sich weigerte, würde erschossen. Jorge Mazos Freund, genauso alt wie er, traute sich zu widerspreche. Da streckte ihn der Kommandant mit einer Gewehrsalve nieder. „Solches Geflügel können wir hier nicht gebrauchen!““

Jorge schickten sie nach Ituango, ausgerechnet ins eigene Dorf. Er trug eine Sprengladung bei sich. Auf dem Platz, dort wo er gefangen genommen worden war, würden viele Leute sterben. Die Familie, die er auslöschen sollte, kannte er. Als er den Hof betrat, sah er zu seinem Entsetzen eine ehemalige Schulfreundin unter ihnen, zusammen waren es fünf Personen.

In seiner Panik schoss er statt des Mädchens die Großmutter nieder und rannte davon. Im Haus seiner Tante suchte er Zuflucht. Die rief sofort Jorges Vater an, der nach der Entführung des Jungen nach Medellín geflohen war. Sie solle ihn sofort in einen Bus setzen, der nach Medellín fährt.

Unterwegs kamen sie in einen Stau. Die Guerilla war im Begriff eine Straßensperre einzurichten. Sie würden die Insassen der Autos und Busse aussteigen lassen, mittels ihrer Laptops die Personalien überprüfen, einige kidnappen, den anderen Wertgegenstände und alles Geld abnehmen und sie dann weiter fahren lassen. Jorges letzte Stunde schien geschlagen, er ließ alle Hoffnung fahren. Aber wie durch ein Wunder kam sein Bus durch, ehe die Falle zuschnappte.

In Medellín fand Jorge bei der Mutter Unterschlupf. Sie wohnte oberhalb von Santo Domingo Savio im Barrio Carambolas. Dort schloss er sich einer der bewaffneten Jugendbanden an, die sich durch Überfälle, Entführungen von Bussen und Erpressungen finanzierte. Im Laufe der beiden folgenden Jahre erschoss Jorge drei Personen.

Dann wurde er von der Polizei erwischt, er handelte mit Drogen im Postituierten milieu. Sie lieferten ihn im Jugendgefängnis ab.

Über die Überfälle und Entführungen der Guerilla in Itango wurde in der Presse ausführlich berichtet.

Link zu Nachrichten aus Itango...

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 13.11.2015 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |