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Tikondane: Re-Integration von Kindern von der Strasse in ihre Familien in Lilonge, Malawi

 

Kinder auf der Strasse in Lilongwe, Malawi - 2013/14

Autor: Matthias Krug, AGEH Fachkraft, Lilongwe

 

 

Die Regierung Malawis garantiert die Grundrechte von Kindern, kann aber die Gesetze nicht umfassend umsetzen. Anstrengungen fuer Kinderschutz und Wohlfahrt laufen ins Leere mit dem Fehlen von durchgaengig finanzierten Programmen zugunsten sozial schwacher Gruppen. 

 Lilongwe erlebt einen langsamen Anstieg der Faelle von Kindern auf der Strasse. Das kann als ein Erfolg von Tikondane angesehen werden, das mit der Zielgruppe der Neuankoemmlinge auf der Strasse arbeitet. In Zusammenarbeit mit der Victim Support Unit (Polizei Lilongwe), anderer Polizeistationen Malawis und der Social District Welfare konnte vielen Kindern, die Missbrauch und Gewalt erfahren haben oder Gefahr liefen, auf der Strasse Zuflucht suchen zu muessen, geholfen werden.

 In der End of Term Evaluation des Tikondane-Programms wurde 2012 festgestellt, dass es mehrere Organisationen in Lilongwe gibt, die sich Kindern auf der Strasse verpflichtet fuehlen, es trotzdem an Zusammenhang und Substanz fehlt und dies zu unkoordinierten Aktivitaeten fuehrt. Tikondane (ein Projekt der Missionary Sisters of Our Lady in Africa, gegruendet 1997 in der Erzdiozese Lilongwe, gelegen in der Altstadt nahe dem Busdepot) ist die einzige Organisation, die ein systematisches und ganzheitliches Hilfsangebot  fuer Kinder auf der Strasse anbietet. Wenn die Kinder identifiziert werden, kann ihnen zeitlich begrenzt ein Transit-Shelter angeboten werden, wo Pflege und Schutz, Erziehung und psychosoziale Hilfe gewaehrleistet sind und das Ziel der Reintegration in die Familie verfolgt wird.

 

 Tikondane schuetzt die Kinder und setzt sich fuer ihre Rechte ein wenn Verstoesse vorliegen.  Tikondane unterstuetzt die Rolle der Familie und der Gemeinde in der ganzheitlichen Erziehung von Kindern.

 

Kontext und Problemanalyse

Malawi “The warm heart of Africa” ist ein afrikanisches Land, das seit der Unabhaengigkeit Frieden kennt. Die Menschen sind mitfuehlend und freundlich. Die Aermsten teilen das, was sie haben, mit den verletzbaren Menschen. Malawi’s Bevoelkerung ist auf 16.4 Millionen zu schaetzen (15.4 Millionen in 2011 – source World Bank – fortgeschrieben). The Bevoelkerung waechst um 3.2% (source: World Bank), Lilongwe Stadt mit 4.3% (source: City Council). Lilongwe wird die Millionengrenze in 2015 erreichen (source: City Council), 76% der Stadtbevoelkerung lebt in „low income residential areas“, wilde Siedlungen („informal settlements“) machen 12% des Stadtgebiets aus. Der Druck auf soziale und oekonomische Dienstleistungen ist enorm (Gesundheit, Schulen, Versorgung mit Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln, Arbeitsamt …), die wenigsten Haushalte haben Elektrizitaet.

 In einem Integrated Household Survey Report for 2010 gibt die Regierung an, dass 50.7% der Bevoelkerung arm ist. Kinder und Jugendliche haben Probleme, Schulen zu besuchen, eine Gesundheitsversorgung zu erhalten oder eine Ausbildung oder Arbeit zu finden.

 Malawis Bevoelkerung ist jung, die Haelfte unter 16 Jahre. 13 % aller Kinder und Jugendlichen, 1,1 Millionen, sind Waisen (NSO Welfare Monitoring Survey), nicht zuletzt geschuldet der hohen HIV/AIDS Infektionsrate unter der erwachsenen Bevoelkerung.

 Die Regierung von Malawi zeigte politischen Willen, die Grundrechte von Kindern zu garantieren, mit der Verabschiedung des Child Care, Protection and Justice Act in 2010. Buerger und Amtsgewalt werden verpflichtet, die Angelegenheiten von Kindern in deren bestem Interesse zu behandeln. Das Gesetz regelt Verantwortlichkeiten der Eltern und kriminalisiert bsp. das Entsenden von Kindern zum Betteln.

 In 2012 wurde die National Social Support Policy ausgearbeitet um Armut und Verletzbarkeit zu reduzieren fuer die Alten, kronisch Kranken, Waisen und andere verletzbare Kinder, Personen mit Behinderung und mittellose Familien.

 Dennoch konnte der politische Wille nicht umgesetzt werden in konkrete Aktion. Eine ungenuegende Anwendung der Gesetze und das Fehlen nachhaltig finanzierter Programme zugunsten verletzbarer Menschen wie Kinder auf der Strasse kompromittieren die Bemuehungen um das Kindeswohl.

 

Soziale Situation  

Die Hauptstadt Lilongwe waechst proportional schnell und zieht verletzbare Kinder an. Tikondane fuehrt Streetwork durch, die Neuankoemmlinge (Newcomer) auf der Strasse als Hauptzielgruppe hat. Tikondane arbeitet mit ca. 400 neuen Klienten im Jahr, davon ca. 50 sogenannte Commuter (Kinder/Jugendliche, die einen festen Wohnsitz haben und tagsueber meist zum Betteln auf die Strasse gehen). Tikondane ist der Hauptansprechpartner in Lilongwe fuer die Polizei und die VSU (Opferschutz – Vicitim Support Unit) im Fall von aufgefundenen Kindern. Faelle von privater Hilfe, erfolgreicher Uebergabe von Kindern durch Chiefs oder Polizei an Eltern sind in Malawi nicht erfasst.

 Der Zusammenbruch familiaerer Strukturen und Werte, Tod oder Krankheit der Eltern oder Erziehungsberechtigten, haeusliche Gewalt und paedagogisches Ungeschick fuehren dazu, dass Kinder ohne geeignete Fuersorge, Unterstuetzung und Anleitung aufwachsen.

 Die meisten Kinder auf der Strasse erlebten eine Trennung der Eltern oder sind Waisen. Sie wurden vernachlaessigt und/oder missbraucht, sind entweder von ihrem Zuhause weggelaufen oder wurden ausgestossen.  Viele litten unter haeuslicher Gewalt, andere wurden zu Kinderarbeit gezwungen oder der Hexerei oder eines schwierigen Verhaltens beschuldigt.

 Soziale Instabilitaet und oekonomische Haerten verschlechtern die bereits armen Lebensbedingungen in vielen Haushalten. Das fuehrt zu einer Zunahme von commuting children, deren Zahl im Lauf des Jahres schwankt, abhaengig bsp. von Ramadan oder Schulferien. Commuting children kommen aus armen Townships wie Area36, Chinsapo and Area24. In der Stadt sind die Kinder beschaeftigt mit Betteln; Suche nach Essen, Muell und Plastikflaschen, Gelegenheitsarbeit; oder sie begleiten behinderte Verwandte. In einigen Faellen werden die Kinder zum Betteln von ihren Familien gezwungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, gerade wenn die Kinder ein Handicap aufweisen. Betteln in der Stadt ist eine Art Geschaeft, das hoehere Einkommen verspricht als Hilfsarbeit und das Menschen aus anderen Regionen anzieht. In dem Kontext von Armut erfahren Kinder, dass sie zum Ueberleben auf die Strasse gestossen werden, und andere werden angezogen von der Praxis der Almosenverteilung.

 Die Situation verschlechtert sich mit sogenannten Old timers, an das Leben der Strasse gewoehnte Jugendliche, die selbst mit Betteln keine hohen Einnahmen erzielen. Manche zwingen junge Kinder, durchaus mit physischer Gewalt, fuer sie zu betteln, bieten ihnen als Gegenleistung Schutz vor anderem Missbrauch an. Es gibt ca. 100 Old timers in der Stadt. Die meisten von ihnen schlafen nicht mehr auf der Strasse sondern mieten sich gemeinsam in den Vorstaedten ein Haus (es gibt keine Wohnungen, sondern kleine Haeuser/ Huetten). So benoetigen sie Geld fuer ihre taeglichen Beduerfnisse. Die Polizei achtet darauf, dass Kinder nicht auf der Strasse schlafen, aber es gibt doch etliche, die in Minibussen, Videokinos oder versteckten Plaetzen eine Bleibe finden. Kinder auf der Strasse sind stark gefaehrdet von Erwachsenen oder Jugendlichen sexuell missbraucht zu werden und sich dabei mit HIV/AIDS oder anderen Sexualkrankheiten zu infizieren.

 Kinder von der Strasse, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten und in Untersuchungshaft kommen sind ueberwiegend maennlich und ueber 13 Jahre. Ihnen wird oft  Taschendiebstahl oder aehnliches vorgeworfen. Die Streetworker besuchen regelmaessig die Polizeizellen, achten auf eine rasche Bearbeitung der Faelle und versorgen sie bei Bedarf mit Essen. Kinder auf der Strasse werden in der allgemeinen Vorstellung oft mit Kriminalitaet in Verbindung gebracht, obwohl die Zahlen dies nicht bestaetigen. Sie werden als eine Last fuer die Gesellschaft angesehen und nicht als Opfer, die Hilfe und einer Reintegration in die Gesellschaft beduerfen.

 Drogen und Alkohol sind ein anderes Problem. Je verzweifelter die Kinder auf der Strasse werden und  dabei die Hoffnung fuer ihre Zukunft verlieren, desto anfaelliger sind sie fuer Drogen, um in einem falschen Sinn sich Selbstvertrauen und Mut zu verschaffen. Von Gangs werden Drogen eingesetzt, um die Hemmschwellen von Kindern und Jugendlichen herunter zu setzen.

 Es gibt aber immer wieder Old timers die das Leben auf der Strasse hinter sich lassen wollen und sich fuer Alternativen wie einen Schulabschluss, eine Berufsausbildung oder ein kleines Geschaeft interessieren.   

 

Gibt es eine Zunahme von Kindern auf der Strasse wegen der Verschlechterung der oekonomischen und politischen Lage im Land?

 

Politische Lage

Malawi ist ein friedliches und demokratisches Land, die verschiedenen Volksgruppen und Religionen (Christen, Hindus und Moslems) tragen etwaige Streitfragen nicht gewaltsam aus.  Es gibt Korruption, die aber oeffentlich (Presse, Radio, Kirchen und NGOs) kritisiert und von Polizei und Gerichten bekaempft wird. Im Mai 2014 werden Wahlen abgehalten (Praesident, Parlament und Regionalwahlen). Der demokratische Willensbildungsprozess verbessert sich, es gibt 12 Parteien, deren KandidatInnen auf Parteikonventen bestimmt wurden. Alle PraesidentschaftskandidatInnen verpflichteten sich oeffentlich, sich fuer Erziehung und Kinderrechte einzusetzen. Eine freie Presse begleitet die Wahlen, die Waehlerregistrierung wurde ernsthaft durchgefuehrt, eine Ueberpruefung ergab aber technische Maengel, im Zweifel konnten unabhaengige Gerichte angerufen werden. Waehrend des Wahlkampfs gab es nur einen gewaltsamen Zwichenfall, als Fussballanhaenger in eine Wahlveranstaltung gerieten. Debatten der KandidatInnen wurden am TV und im Radio uebertragen, Meinungsumfragen spiegeln eine politische Tendenz wider, weisen aber grosse Unterschiede auf. Es gibt keine Anzeichen einer politischen Krise, damit keinen politischen Grund fuer eine Zunahme von Kindern auf der Strasse.

 

Kinder in Haushalten mit unsicherer Nahrungsversorgung

Die Unsicherheit um das taegliche Essen ist ein Risiko fuer Kinder, die Gefahr laufen die elterliche Sorge zu verlieren. In solchen Haushalten koennen Kinder sich gezwungen sehen nach Essen zu suchen anstelle die Schule zu besuchen. Oder sie nehmen eine Arbeit an als Viehhueter oder Hausangestellte, um zum Ueberleben der Familie beizutragen. Es mag sie aber auch dazu bewegen, ihr Zuhause zu verlassen und auf der Strasse zu leben.

 Die juengsten Voraussagen des Malawi Vulnerability Assessment Committee (MVAC) gaben an, dass 9.5% der Landesbevoelkerung von Hunger bedroht ist in der Regenzeit 2013/14. Es muss davon ausgegangen werden, dass mindestens 800.000 Kinder und Jugendliche unter unsicherer Nahrungsmittelversorgung leiden (SOS MALAWI CHILD RIGHTS SITUATIONAL ANALYSIS, 2013).

 

Kinder in Ultra-poor Haushalten

Nach der Integrated Household Survey (2010) gelten 25% der Bevoelkerung Malawi’s als ultra poor, verglichen mit 22.3% in 2005. Dies bedeutet, dass die Mitglieder dieser Haushalte, in der Mehrheit Kinder, in grosser Armut leben, die das Ausmass erreichen kann, dass die minimalsten Anforderungen an Nahrung nicht erreicht werden. Kinder aus diesen Haushalten suchen nach Essen und Geld oder gehen einer Kinderarbeit nach (SOS MALAWI CHILD RIGHTS SITUATIONAL ANALYSIS, 2013). Als Gegenmassnahme organisieren NGOs und Community Based Organisations im Land Schulverpflegung.

 

Oekonomische Situation

Malawi hat mit einer hohen Inflation (25%) und einen Rueckgang der Gueterproduktion zu kaempfen. Die oekonomische Situation ist unsicher mit der Armut im Land. Die Welfare Monitoring Survey 2011 zeigte auf, dass 54.7 Prozent der Interviewten nur 2 Mahlzeiten am Tag konsumierten. Es gibt grosse Unterschiede zwischen Land und Stadt. In Lilongwe Stadt konnten sich  89% drei Mahlzeiten oder mehr leisten, in Blantyre City 85.7%, aber in Lilongwe Rural nur 49.7% und in Thyolo traurigerweise nur 19.1%.

 Die Arbeitslosenrate ist in Lilongwe City sehr hoch (50.8%) verglichen mit Lilongwe Rural (3.2%), aber auch im Vergleich zu Blantyre City (35.8%). Wir haben in Lilongwe Rural 87.2% Mlimi (Subsistenzbauern), aber in Lilongwe City nur 7.5% Mlimi. In Lilongwe City sind 52.5% der BuergerInnen abhaengig beschaeftigt, 19.3 % selbststaendig, 14.1 % unbezahlte Familienangehoerige, 5.7 %  Gelegenheitsarbeiter.

 Eine oekonomische Krise trifft die BuergerInnen von Lilongwe City hart. Auf dem Land ist die Bevoelkerung anfaellig bei Naturkatastrophen oder Duerren. Im Juli/ August 2013 gab es Zeitungsberichte, dass in den Maissilos (die nationale Lebensmittelreserve) die Vorraete ausgingen. In der kritischen Phase, zum Ende der Regenzeit, konnte die Regierung gegensteuern mit Kreditaufnahmen fuer Kaeufe im benachbarten Ausland und Maisspenden von befreundeten Regierungen. Damit wurde der Maispreis in den halbstaatlichen Admarc-Maerkten landesweit tief gehalten.

 

Die Situation von Kindern auf der Strasse in Mzuzu, Balaka und Blantyre

Mzuzu ist die schnell wachsende Regionalhauptstadt im Norden. UN-Habitat schaetzt das Bevoelkerungs-wachstum auf 4.2% jaehrlich, in 2015 werden 220.000 Einwohner erreicht sein (Mzuzu Urban Profile, 2011). In einer Fallstudie von God Cares Orphan Care in 2012 ueber Kinder auf der Strasse von Mzuzu City wurden auf 11 Hauptmaerkten 159 Kinder im Alter von 4 bis 18 interviewt. 85% der Interviewten stammten aus der Nordregion und jede/r zweite kam taeglich auf den Markt. 138 waren Commuter, 30% der Kinder seit 2 Jahren, 38% seit weniger als 6 Monaten. Die Zahlen wurden von 23 Interviewern erfasst. 21 Kinder lebten auf der Strasse. 

 SOS arbeitete in seiner Child Alternative Care Assessment Study in der Periode von Januar bis Maerz 2013 die hoechste Schulabbrecherquote im Land im Distrikt Balaka heraus. Die Studie ergab, dass Verletzung von Kinderrechten und Missbrauch von Kindern sich von Distrikt zu Distrikt quantitativ unterscheiden. Im Distrikt Lilongwe faellt die Vernachlaessigung von Kindern auf, im Bezirk Kasungu neben der Kinderarbeit auf Tabakfarmen eine alamierende Zahl von Waisen verursacht durch eine hohe Muettersterblichkeit.

 Unicef ermittelte in einem methodisch gewichteten Report (Collecting data for national indicators on children orphaned and made vulnerable by AIDS, Unicef 2006), fuer Blantyre bei Kindern auf der Strasse

(nicht Commuter, sondern auf der Strasse) 0.14% aller Waisen und verletzbaren Kinder (das sind 22% aller Kinder). Das waren absolut 103 Kinder in 2005. Bei geschaetzten 380,000 Kindern und Jugendlichen heute in Blantyre wuerde das 117 Kinder und Jugendliche auf der Strasse bedeuten. Die NGO „Lunchbowl” fuehrt kostenlose Essen in Blantyre fuer Kinder auf der Strasse durch seit November 2012 mit 70 Essen taeglich (source: www.lunchbowl.co.uk).

 

Die Indikatoren belegen, dass die Zahl der Kinder auf der Strasse sich nicht stark erhoeht hat in Malawi (ohne Commuter). Die malawische Gesellschaft ist trotz weit verbreiteter Armut in nahezu 99.9% aller Faelle in der Lage, Krisen aufzufangen.

 

 

Die Entwicklung bei Tikondane in den letzten Jahren

In der Periode 2009 – 2013 gab es keinen Anstieg mit Neuankoemmlingen von der Strasse. Die sogenannten Newcomer sind Kinder und Jugendliche, die in 2013 zu 50% von der Polizei an den Shelter ueberwiesen wurden, von Sozialarbeitern im Streetwork fuer eine Reintegration interessiert und in den Transitshelter begleitet wurden, von alleine sich an den Shelter gewandt haben oder von Old timern  oder anderen Organisationen zum Shelter gebracht wurden. Sie stammen mehrheitlich aus dem Distrikt Lilongwe, werden aber relativ oft in anderen Bezirken integriert. Returner sind Klienten aus den Vorjahren, die sich meist selbst an Tikondane erneut wenden (62%).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In 2013 gab es 250 Newcomer, 47 Returner und 17 Erwachsene. In 2012 arbeitete Tikondane mit 236 Newcomer, 46 Returner und 37 Erwachsenen. In 2011 gab es 176 Newcomer, 60 Returner und 9 Erwachsene. In 2010 and 2009 erfasste Tikondane mehr als 300 Newcomer, es gab 40 Erwachsene  in 2010, 61 im Vorjahr. Newcomer sind zu 60% maennlich und 40% weiblich. Die Erwachsenen sind meist junge Muetter, die eine Trennung in haeuslicher Gewalt durchlebten und mit ihren Kleinkindern von dem Leben auf der Strasse bedroht sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

      

Die juengsten Kinder gab es 2009, dem Jahr mit den meisten an Tikondane ueberwiesenen jungen Muettern. Seit 2012 sind die Jungen etwas aelter.

Newcomer sind im Durchschnitt 10 Jahre alt, Returner 11,3 Jahre und zu 76% staerker maennlich. 87% der Newcomer, 89% der Returner erhielten Shelter in 2012. Newcomer wurden zu 92% reintegriert, Returner zu 78%. In 2013 erhielten 86% der Newcomer, 98% der Returner Shelter. Die Reintegrationsrate war aehnlich mit 90 % der Newcomer und 77% der Returner.

Es gibt keine Tendenz, dass fruehere Klienten die Dienste von Tikondane von Jahr zu Jahr staerker nachfragen wuerden. Der Anstieg der Newcomer in 2013 entspricht der demografischen Entwicklung.

 

Die Gruende auf die Strasse zu kommen

NATIONAL STRATEGY ON CHILDREN LIVING AND WORKING IN THE STREETS (2014-18) des MINISTRY OF GENDER, CHILDREN AND SOCIAL WELFARE benennt diese Gruende: “Die wachsende Zahl von Kindern, die auf der Strasse leben und arbeiten, kann mehreren Gruenden zugeordnet werden.  Zuerst die wachsende Armut von Haushalten, die Kinder auf die Strasse zwingt zum Ueberleben. Als Zweites Fehlentwicklungen in den Familien, die zu einem Mangel in der Erziehung und Pflege von Kindern fuehren. Andere Gruende beinhalten die Migration vom Land zur Stadt, Kinderarbeit, Vernachlaessigung, haeusliche Gewalt, Verlust der Eltern, Peergroup Einfluss, Kultur der Almosenverteilung und paedagogisches Ungeschick.”

Die Tikondane Statistik zeigt die Hauptgruende seiner Klienten, dem Strassenleben ausgesetzt zu sein, in Abhaengigkeit zum Familienstatus (2013, 297 Kinder und Jugendliche). Die Klienten wurden vernachlaessigt (nahezu 75% der Kinder mit getrennten Eltern), gingen verloren oder strandeten in Lilongwe (40% der Klienten mit Eltern), sie erfuhren schlechte Behandlung, hausliche Gewalt, Hunger oder erlitten emotionale und physische Gewalt (hoechste Werte fuer getrennte Eltern). Jede/r vierte Waise kam auf die Strasse wegen dem Verlust der Eltern oder eines Elternteils. 




40% (von 297 Klienten) haben ein Problem mit ihrem Verhalten. Faelle von Sexuellem Missbrauch, Hexereibeschuldigung, Kinderarbeit oder Entfuehrung liegen unter 10%.

 

 

Familienstruktur der Tikondane Klienten

Die Welfare Monitoring Survey 2011 weist eine Waisenquote der unter 20jaehrigen von 13% aus, weniger als in 2008 mit 15%. In Lilongwe City war die Rate hoeher in 2011 mit 15.9%, in Lilongwe Rural niedriger mit 8.4%. Double orphans in Lilongwe City werden mit 3.9% benannt. Bei Tikondane Klienten finden wir mindestens 25% Waisen. Dies bedeutet, dass die Klienten von Tikondane staerker als im Durchschnitt vom Tod mindestens eines Elternteils betroffen sind. Die Verheiratetenquote in Malawi liegt bei 55.5% der Bevoelkerung. Dies steht im starken Kontrast zur Situation der  Tikondane Klienten, bei denen die Anzahl der Trennungen von Eltern hoch ist.

 

 

 

Haushalte der Tikondane Klienten

Obwohl 27% der Tikondane Klienten beide Elternteile besassen, lebten nur 22% der Newcomer und 13% der Returner bei den Eltern. In den Haushalten der Einzelerziehenden und in Haushalten von Eltern mit Stiefeltern koennen wir Einzelwaisen antreffen. In der extended family (Grosseltern, Onkel, Tanten, aeltere Geschwister) leben alle Gruppen. Andere betreffen institutionelle Pflege und von Kindern gefuehrte Haushalte. Die Gruende fuer einen Wechsel von den Elterm in die extended family moegen vielfaeltig sein wie Krankheit oder Arbeitssituation von Eltern, Armut, Zugang zu Schulbildung.

 

 

Im Vorjahresvergleich faellt auf, dass es eine Bewegung von Einzelelternhaushalten zu Haushalten mit einem Elternteil mit Stiefmutter/ -vater gibt. Der Anteil der Elternhaushalte variiert um 2%, die extended family liegt unveraendert bei 25%.

 

 

 

Schlussfolgerung

Tikondane Klienten sind in starkem Masse betroffen von dem Zusammenbruch von Familienstrukturen durch Tod oder Trennung. Dies ist kein neues Phaenomen.

 

Gender Aspekt

 

 

 

Die Familienstruktur unterscheidet sich nur leicht. Bei den Jungen (Newcomer) war der Anteil der Einzelwaisen hoeher, bei den Maedchen der der Eltern. Die Jungen lebten mit 30% mehr in der extended family, die meisten Maedchen lebten mit 29% mit einem alleinerziehenden Elternteil.

Starke Unterschiede gibt es bei den Gruenden (alle Kinder = Newcomer + Returner). Waehrend ein Verhaeltnis von 60% zu 40% dem Durchschnitt entspricht, gibt es fuer weibliche Klienten starke Abweichungen bei Entfuehrungen, sexuellem Missbrauch, emotionaler Gewalt, Suche nach Schulgebuehren, Verloren gehen und erzwungener Heirat.

Bei den maennlichen Klienten fallen auf: Kinderarbeit, Hunger, Betrug, schwieriges Verhalten und Konflikt mit dem Gesetz.

 

 

 

Gewalt gegen Kinder

Das Royal Tropical Institute (NL) fuehrte 2014 eine „ Situation Analysis as input for the development of a National Plan of Action for Vulnerable Children” durch. Sie sehen Gewalt gegen Kinder in Malawi beeinflusst durch Verlust von Eltern, Lebensumstaende, Armut, Alter und Geschlecht der Kinder.

 Die Statistik von Tikondane zeigt auf, dass Stiefeltern am staerksten auffallen. 51% der Kinder, die mit einer Stiefmutter oder einem Stiefvater leben erfuhren physische Gewalt, 58% emotionale Gewalt und immerhin 9% sexuellen Missbrauch. Die geringste Tendenz weisen Kinder auf, die bei den Eltern leben und relativ gering ist die Gewalt in der extended family, das sind Haushalte der Grosseltern, Onkel, Tanten, aeltere Geschwister, zusammen mit den von Kindern gefuehrten Haushalten.

 

 

Oekonomische Situation:

25% der Newcomer, 17.4% der Returner kamen in 2012 auf die Strasse wegen Hunger/Armut. In 2013 haben wir nahezu gleiche Resultate bei den Newcomern mit 25.6%, aber einen Anstieg bei den Returnees mit 31.9%.

 

 

Hunger kommt ueberproportional stark in Haushalten von Alleinerziehenden vor, bei jedem zweiten Klienten. Die materielle Ausbeutung von Kindern ergibt fuer die Haushalte ein komplett anderes Bild. 

Korrelationen zu Entfuehrungen, Kinderarbeit und Hexerei sind nicht eindeutig.

 

 

Streetwork

Tikondane identifiziert im Streetwork Newcomers auf der Strasse. Bei fast gleicher Anzahl von Streetwork Besuchen ergeben sich fuer 2013 zwei bemerkenswerte Unterschiede: In 2013 wurde mit mehr Old timers gearbeitet, resultierend aus einer Kooperation mit Samaritan Trust, um Schul- oder Berufsausbildungen zu ermoeglichen. Und es wurden mehr Newcomer angetroffen und neue Commuter.

 

  

 Die praeventive Arbeit der Sozialarbeiter fuehrte zu einem Rueckgang der Einweisungen an den Shelter durch die Polizei, aber zu einer erhoehten Begleitung durch Sozialarbeiter und Old timer.

 

 

 


Commuter

Im ersten Halbjahr 2013 analysierte Tikondane die Faelle von 72 commuting children ( 40 Newcomer, 32 Old timer, 76% boys, 24% girls, im Durchschnitt 12 Jahre alt). Der Hauptgrund von Zuhause in die Stadt zu pendeln war Vernachlaessigung, aber Hunger war fuer jedes zweite Kind ebenfalls ein Beweggrund. Gruppendruck auf Newcomer ist ebenfalls stark und 40% der Newcomer wurden gemietet, von Eltern geschickt oder begleitet von behinderten Verwandten (keine doppelte Zaehlung bei Mehrfachnennung).

 

 

 

Die am meisten genannten Kommunen sind in area36 Chinangwa, Katantha und Mitengo; Chinsapo1 und Chinsapo2; in area24 Ngwenya. Diese Gebiete beinhalten sogenannte informelle Siedlungen, ungeplant und schnell wachsend (mit mehr als 8% jaehrlich, Schaetzung City Council of Lilongwe) und schlechtem Zugang zu Trinkwasser, Strom, Strassen, Schulen, Krankenhaus etc. In diesen Siedlungen sind die Mieten niedrig, kommen Migranten vom Land an oder kindergefuehrte Haushalte sind anzutreffen.

 Hohe Vernachlaessigung kann in den drei area36 Gemeinden gemessen werden, Hunger ist speziell in Katantha verbreitet, dort begleitet jedes zweite Kind Verwandte. In Chinangwa gibt es hohen Gruppendruck und haeusliche Gewalt.

 

 

 

In Chinsapo1 wird jedes zweite Kind gemietet, benutzt oder muss Erwachsene begleiten. Vernachlaessigung ist evident.

In Chinsapo2 herrscht Vernachlaessigung und Hunger, haeusliche Gewalt und schlechte Behandlung der Kinder.

Ngwenya zeigt hohe Werte bei Gruppendruck und schlechtem Verhalten der Kinder.

 

 

 

Die Hauptaktivitaet von Commutern ist das Betteln, als Zweites die Suche nach Essen bei nahezu jedem Zweiten. Eine andere Strategie fuer Newcomer ist das Auflesen von Muell oder Plastikflaschen. Old timer suchen Gelegenheitsarbeiten oder begleiten behinderte Menschen. Alamierend sind die Faelle von Kinderprostitution (alle weiblich, zwischen 12 and 16 Jahren alt).

 

 

 

Die hot spots in area36, Chinsapo und area24 ergeben ein differenziertes Bild. Betteln ist die uebliche Aktivitaet fuer Kinder aus Mitengo, Katantha und Ngwenya, Chinsapo1 ist evident. Muell- und Flaschensammler finden wir hauptsaechlich bei Commuter aus Ngwenya, Mitengo und Chinangwa. Alle Commuter aus Chinangwa suchten nach Essen, in grosser Zahl auch aus Mitengo. Die Faelle der Kinderprostitution kamen aus Chinsapo2 und Chinangwa.

 

 

 

Es ist erstaunlich, dass Kinder aus Katantha, die unter Hunger litten, sich auf Betteln und nicht auf Essenssuche fokussierten. Die hohe Rate der Vernachlaessigung in den area36 Gemeinden fuehrt zum Betteln, aber nicht in Chinsapo2. Kinder und Jugendliche aus Chinsapo2, die unter Hunger und haeuslicher Gewalt litten, suchten weniger nach Essen, sondern uebten Gelegenheitsarbeit und Kinderprostitution aus.

 

Einkommen auf der Strasse

In einer „Situation Analysis for Children living on the Streets of Lilongwe City“ (Every Child, 2012) fand die Studie heraus, dass im Durchschnitt ein Kind mit Betteln K653 ($2) am Tag erzielt. Wer Handel treibt kommt auf das hoechste Einkommen mit K985.00 ($3). Zum Vergleich: Das gesetzliche Mindest-einkommen in Malawi ist 2014 auf K 550 festgelegt, wird aber im privaten Sektor nicht immer gezahlt.

Die Einnahmen von der Strasse werden genutzt zum Kauf von Essen und Kleidung (66%), an Eltern (18%) und an Kinderanfuehrer (1%) abgegeben oder fuer Unterhaltung eingesetzt (17%).

 

 

Schlussfolgerung zu den Commutern:

Die meisten Commuter kommen aus Stadtteilen mit informellen Siedlungen. Diese Gebiete wachsen schnell und sind oekonomischen Haerten ausgesetzt. Die Zahl der Commuter in der Stadt wird voraussichtlich mit 10%wachsen aufgrund der demografischen Entwicklung in den Townships, im Fall einer Hungersnot aber bei weitem starker.

Der Verfasser dieses Artikels ist unter folgender Adresse zu erreichen: tikondane.admin@africe-online.net

 

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