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Europa

Bulgarien
(Hartwig Weber, August 2011)

 

Landeskundliches
Die Republik Bulgarien (Republika Balgarija) liegt im Osten der Balkanhalbinsel und umfasst eine Landfläche von 111 002 Quadratkilometern. Das Land hat (2011) 7,351 Millionen Einwohner. Hauptstadt mit mindestens 1,3 Millionen, wahrscheinlich aber mehr als 2 Millionen Einwohnern ist Sofia.

Bulgarien, mit parlamentarischer Regierungsform und einem Ein-Kammer-Parlament, ist ein Zentralstaat mit 28 Verwaltungsbezirken. Das Land ist Mitglied in zahlreichen internationalen Organisationen, den Vereinten Nationen und Unterorganisationen, dem IWF, dem Europarat, WTO, NATO und seit 2007 der Europäischen Union (vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Bulgarien_node.html).

Folgende Volksgruppen sind vertreten: 83,9 Prozent Bulgaren, 9,4 Prozent Türken, 4,7 Prozent Roma, 2 Prozent Russen sowie Armenier. Annäherungsweise 6,8 Millionen Bewohner sind bulgarisch-orthodox, 790 000 muslimisch, 50 000 römisch-katholisch, 20 000 protestantisch, 5 000 jüdisch.

Amtssprachen neben Bulgarisch sind Türkisch, Romani und Armenisch. Romani wird in Schulen kaum unterrichtet. In den Siedlungsgebieten der türkischen Minderheit ist Türkisch oft Schulfach. Der Alphabetisierungsgrad liegt bei 98,6 Prozent (vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Bulgarien.html; de.wikipedia.org/wiki/Bulgarien; www.botschaft-bulgarien.de; www.nsi.bg/Index_e.htm:NationalesStatistisches Institut Bulgarien). 

Bulgarien ist das ärmste Land in Europa. Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2010 36 Milliarden Euro, das Pro-Kopf-Einkommen 4 902 Euro. Das Monatseinkommen eines Arbeitnehmers liegt damit bei einem Drittel des EU-Durchschnittseinkommens. Die Inflationsrate lag bei 8, die Arbeitslosenquote bei 8,9 Prozent (2011).

Bulgarische Männer haben eine Lebenserwartung von 69,2 Jahre, Frauen von 76,3 Jahren. Die Bevölkerung nimmt pro Jahr um 5 Prozent ab (vgl. Auswärtiges Amt: www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Bulgarien.html; Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Bulgarien; Nationales Statistisches Institut Bulgarien: www.nsi.bg/Index_e.htm).

Bulgarien erfüllt heute bereits vier der fünf Maastricht-Kriterien für den Beitritt zur Europäischen Währungsunion, der für 2013 angestrebt wird.

Deutschland ist (vor Russland) der wichtigste Handelspartner Bulgariens (vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/sid_D946669BDFD0E785FBCD43F90E232906/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bulgarien/Wirtschaft_node.html).

Amnesty International hat in den letzten Jahren immer wieder kritisiert, dass in Bulgarien Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung zur Zielscheibe von Misshandlungen und exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei wurden (vgl. http://www.amnesty.de/umleitung/2007/deu03/022?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml; http://www.mersi-amnesty.de/index.php?m=1&id=238&lang=). Die Menschenrechte von Minderheiten würden nicht hinreichend geschützt. Auch seien die Lebensbedingungen für Menschen mit geistiger Behinderung hart, ihre Versorgung und medizinische Betreuung unzureichend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass Bulgarien gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Verbot von Folter und erniedrigender Behandlung verstößt.

Besonders die Gemeinschaft der Roma leidet in Bulgarien unter Diskriminierung und ist in ihren Siedlungen, wo ihr oft die gesicherten Wohnrechte fehlen, der Gefahr von Zwangsräumungen und drohender Obdachlosigkeit ausgesetzt. 

Kinder und Jugendliche der Roma sind beim Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge benachteiligt. Mitunter werden von Roma bewohnte und illegal errichtete Häuser abgerissen, die Familien vertrieben, wobei die Polizei übermäßig Gewalt anwendet. Als Menschen, die nicht einmal über das Existenzminimum verfügen, werden vielen Roma die Sozialleistungen des Staates verwehrt. 

Amnesty International hat kritisiert, dass in Bulgarien Asylsuchende mitunter über Monate und Jahre in Haft gehalten werden und dass sie auch dann abgeschoben werden können, wenn ihnen Misshandlung und Folter drohen.

 

Kinder und Jugendliche in Bulgarien
Seit 2002 gibt der Ministerrat Bulgariens jährlich einen Jugendbericht heraus, in dem die aktuelle Lage der Jugendlichen, die grundlegenden Prioritäten der staatlichen Jugendpolitik und die geplanten Maßnahmen beschrieben werden (vgl. Republic of Bulgaria, Council of Ministers. Annual Youth Report for Youth of the Republic of Bulgaria; vgl.
http://www.dija.de/bulgarien/rahmenbedingungen-fuer-die-jugendarbeit-bg/situation-der-kinder-und-jugendlichen/#c1043). Die Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen in Bulgarien hatten sich in den 90er Jahren wegen des Kosovo-Krieges, an dem Bulgarien beteiligt war, und aufgrund anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten sowie steigender Arbeitslosigkeit stark verschlechtert. Zahllose Kinder aus zerrütteten Familien landeten in Heimen, in denen katastrophale Zustände herrschten. Die Zahl der Obdachlosen und Straßenkinder wuchs. Obgleich sich die Situation in letzter Zeit langsam bessert, gelten immer noch 20 bis 25 Prozent der jungen Menschen in Bulgarien als arm. Mit 1,78 Prozent ist der Anteil der Kinder, die in Heimen untergebracht sind, der höchste in Europa.

Die Lage der Schulen, der Universitäten und der beruflichen Ausbildung bessert sich zusehends. In den Pisa-Studien schneiden bulgarische Kinder sehr gut ab. Von der positiven Entwicklung sind allerdings etwa 20 Prozent der Jugendlichen ausgeschlossen. Von den Kindern und Jugendlichen der Roma-Gemeinschaft sind 16 Prozent Analphabeten. Die wenigsten von ihnen erreichen eine höhere Schulbildung. Entsprechend chancenlos sind sie auf dem Arbeitsmarkt. Ähnliche Probleme beim Zugang zu Bildung und Arbeit haben Angehörige der türkisch stämmigen Einwohner und der bulgarischen Muslime.

Um Gesundheit und medizinische Versorgung der Kinder im Allgemeinen und der Armen im Besonderen steht es ebenfalls nicht gut. Viele Kinder und Jugendliche rauchen Zigaretten und konsumieren Drogen. Durch Aufklärung und Kampagnen versucht man in den Schulen gegenzusteuern. Viele jungen Menschen haben keine Krankenversicherung. Arbeitslose und Schwarzarbeiter können leicht zeitlebens aus dem sozialen Gesundheitssystem herausfallen.

Die Rate der Jugendkriminalität ist wie das Niveau der allgemeinen Kriminalität in Bulgarien besonders hoch. Drogenkonsum ist unter Jugendlichen weit verbreitet. Häufig kommt es zu Bandenkriegen. Hintergrund von Auftragsmorden, Bombenanschlägen sowie Menschenhandel, Prostitution, Schlepperbanden, Autoschieberei und Geldfälschung ist die tiefe Krise in den Sozial- und Wirtschaftssektoren, die zu niedrigem Lebensstandard, hoher Arbeitslosigkeit und Armut führt (vgl. Alexander Andreev: Was wir am Vorabend des EU-Beitritts über Bulgarien wissen sollten: Vortrag beim Europa-Forum der Commerzbank, Frankfurt am Main, 4. Dezember 2006).

Die kriminellen Jugendlichen sind durchschnittlich sehr jung, zwischen 12 und 18 Jahren. Überrepräsentiert sind Roma sowie junge Menschen, die mit 18 Jahren die staatlichen Kinderheime verlassen müssen. Durch die Institutionalisierung sind sie physisch und psychisch geschädigt. Viele verelenden und werden vom Hunger und der Abhängigkeit vom Drogenkonsum auf die Straße getrieben. Dort versuchen sie, irgendwie zu überleben – und sei es durch Kriminalität. Die Rate der Prostituierten ist unter ganz jungen Menschen besonders hoch.

Um gegenzusteuern, wurde ein Gesetz zur Prävention antigesellschaftlicher Handlungen bei Jugendkriminalität erlassen und verschiedene Einrichtungen aufgebaut. Die Kinder- und Jugendpolitik wird vom Ministerrat (State Agency for Child Protection) koordiniert. Außerdem gibt es lokale Kommissionen gegen Jugendkriminalität sowie städtische Einrichtungen, sie sich um verhaltensauffällige und kriminelle Kinder kümmern (vgl. Republic of Bulgaria, Council of Ministers. Annual Youth Report for Youth of the Republic of Bulgaria for 2005, Summary, May 2005).

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 19.10.2012 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |