Indiokinder Inhaltsverzeichnis Die indigene Bevölkerung Kolumbiens mit mehr als einer Million Personen teilt sich in circa 80 Ethnien auf, die 64 unterschiedliche Sprachen sprechen. Obgleich das kolumbianische Grundgesetz ihnen Autonomie garantiert, leiden die Indios unter der gewaltsamen Invasion von Kolonisten, Guerilleros, Paramilitärs und Drogenhändlern (Vertreibungen). Der Kontakt mit den Weißen hat den Ureinwohnern des Kontinents Desorientierung, Krankheiten und extreme Armut gebracht. Unter den Folgen der Exklusion und Hoffnungslosigkeit leiden insbesondere Kinder und Jugendliche. Als die Europäer nach Südamerika kamen, lebten im Gebiet des heutigen Kolumbien wahrscheinlich etwa 3 Millionen Indios. Im Laufe der folgenden hundert Jahre wurde der sechste Teil der Ureinwohner ausgerottet. In der Mitte des 18. Jahrhunderts waren es noch 136.000, und erst im 20. Jahrhundert nahm ihre Zahl langsam wieder leicht zu. Im Urwald und in den Llanos Orientales gibt es nomadische Ethnien, die als Jäger und Sammler leben (zum Beispiel die Makú und die Cuiva); im Amazonasgebiet und im Pazifikurwald siedeln Halbnomaden, die fischen, jagen und sammeln, und in den anliegenden Zonen gibt es sesshafte Gruppen (wie die Tuneba, Kogis, Pastos oder Guambianos). Die Guajiros siedeln auf der Halbinsel gleichen Namens in Gebieten extremer Trockenheit. Über die Grenzen zwischen Kolumbien und Ecuador, Venezuela, Brasilien und Panama bewegen sich die Stämme der Aywa, Wayú, Tikuna und Tule, denen man eine doppelte Staatsbürgerschaft zuerkannt hat. Viele indianische Gruppen sind in der Vergangenheit untergegangen, mit ihnen ihre Kulturen und Sprachen. Angesichts der blutigen Gewalt, der sie heute ausgesetzt sind, drohen insbesondere die kleinen Gemeinschaften des Amazonasgebietes spurlos zu verschwinden. Sie sind zwischen die Fronten der illegalen bewaffneten Gruppen der Guerilleros und Paramilitärs geraten. Den Wenigsten nützt, dass der Staat die ethnischen Minderheiten als kollektive Besitzer ihrer Territorien anerkannt hat und vorgibt, ihre Autonomie zu schützen. (Die Gebiete der Indios machen 31 Millionen Hektar aus, das ist ein Drittel des Staatsgebietes Kolumbiens.) Der Drogenhandel zerstört mehr und mehr ihre Lebensgrundlagen, und vom staatlichen Heer und der Polizei haben sie keine effektive Hilfe zu erwarten. Ganze Clans flüchten aus ihren angestammten Territorien. Jedes Jahr lassen sich 10.000 bis 20.000 Indios registrieren, die gewaltsam vertrieben worden sind. Die tatsächliche Zahl der indigenen Flüchtlinge liegt weit höher. Heute verdingen sich viele Indios im Kokaanbau oder in den Städten als Arbeiter, die Frauen Yup-ka - Mädchen, 2008 In den traditionellen Indiogemeinschaften war es üblich, dass Kinder den Erwachsenen beim Arbeiten halfen und auf diese Weise die Kulturtechniken samt den notwendigen Kenntnissen und Fertigkeiten erwarben, die sie im Alltag - beim Fischen, Jagen, Säen und Ernten - brauchten. In der Folge des Kulturkontaktes mit den Weißen haben sich die Arbeitsformen verändert, mit negativen Folgen insbesondere für die Kinder. Wie ein Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung, so leben auch die indigenen Gruppen Kolumbiens unter Bedingungen extremer Exklusion, Armut und rassistischer Diskriminierung. Die Kinder und Jugendlichen arbeiten heute häufig außerhalb ihrer Gemeinschaften. Sie verdingen sich im Kokaanbau, betätigen sich als Schmuggler, werden von der Guerilla oder paramilitärischen Gruppen angeworben (>Kindersoldaten), arbeiten in den Haushalten der Weißen, werden kriminell, verfallen der Prostitution. Die negativen Folgen der herrschenden Verhältnisse sind besonders drastisch am Gesundheitszustand der Indiokinder abzulesen. Verbreitet sind Unter- und Fehlernährung. In manchen Gegenden mangelt es an sauberem Wasser und ausreichender Hygiene. Dabei kommt es zu gravierenden chronischen Erkrankungen. Entwicklungsstörungen und Behinderungen sind nicht selten. Die Kindersterblichkeit ist doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt, die Lebenserwartung vergleichsweise gering. Heute arbeiten viele Indiofrauen und -mädchen in den Städten, häufig diskriminiert und ausgebeutet. Im Chocó, in Vaupés, Caquetá, Puerto Carreño und Puerto Inírida arbeiten zahllose Indiomädchen als Prostituierte. Blutige Gewalt der Guerillagruppen Seit jeher haben die kolumbianischen Guerillagruppen in den Indioterritorien operiert. Die lange Besetzungszeit führte naturgemäß zu freiwilliger oder unfreiwilliger Interaktion und Kommunikation zwischen Indios und Besatzern mit der Folge, dass die Paramilitärs, wenn sie die Guerilla vertrieben haben, alle Indios als Helfershelfer der linken Subversion ansehen. Tatsächlich sind zahlreiche Indios in den Reihen der Guerilla zu finden, viele von ihnen schließen sich indes - teils freiwillig, teils gezwungen - den Paramilitärs an. Im Unterschied zu Indios werden die Angehörigen der afrokolumbianischen Bevölkerungsgruppe von den Guerilleros als Sympathisanten der Paramilitärs denunziert und verfolgt. Auf längere Sicht fallen beide Seiten (Schwarze wie Indios) früher oder später einem der Aggressoren zum Opfer. Im Laufe der zurückliegenden Jahre wurden unzählige indigene Führer entführt und mit dem Vorwurf ermordet, sie führten ihre Volksgruppen in den Widerstand gegen das Wohl des kolumbianischen Volkes. Die Gewalt, der die indigenen Gemeinschaften ausgesetzt sind, geht abwechselnd oder gleichzeitig von den Guerilleros der FARC und des ELN, von Paramilitärs, Kriminellen ("delincuencia común"), den Drogenhändlern oder dem staatlichen Militär aus. Im Kampf um die Vorherrschaft werden die denkbar grausamsten Verbrechen verübt: Massaker an Männern, Frauen und Kindern, Zerstörung von Häusern und Feldern, von öffentlichen Gebäuden und Kirchen. Wehrlose Bauern werden bombardiert, Elektrizitäts- und Wasserwerke zerstört, Vergewaltigungen verübt, Kinder entführt. Nach erfolgten Gewaltverbrechen unter der Zivilbevölkerung ist es mitunter unmöglich festzustellen, wer die Verantwortlichen waren, da sich Guerilleros als Paramilitärs und Paramilitärs als Guerilleros verkleiden. Ursprünglich war die Guerilla mit einer politischen Botschaft in die Territorien der Indios eingedrungen und hatte soziale Gerechtigkeit und nationale Befreiung in Aussicht gestellt. Die FARC proklamierten die Errichtung eines alternativen, gerechten Staates. Aber angesichts ihrer ideologischen Orientierung am Kampf der Klassen kam den Guerillakämpfern der ethnologische Gesichtspunkt rasch aus dem Blick. In der Sierra Nevada de Santa Marta im Norden Kolumbiens kämpfen heute 40.000 Indios verschiedener Ethnien (Wiwas, Kogis, Kankuamos, Arhuacos) gegen bewaffnete Banden jeglicher Couleur und versuchen zu verhindern, dass sie aus ihrem angestammten Territorium vertrieben werden. Staatliches Heer und Polizei sind weder willens noch in der Lage, die Sicherheit und das Recht der Indios zu gewährleisten. Massaker der Paramilitärs Multinationale Unternehmen, die es auf indianisches Gebiet abgesehen haben, lassen sich und ihre Investitionen durch Polizei, Heer, private Sicherheitskräfte, Paramilitärs oder Kriminelle schützen. Auf der Suche nach Erdöl, beim Erschließen ergiebiger Minen oder der Anlage gigantischer Plantagen dringen sie in die Siedlungsgebiete der Indios vor, in die Urwälder an Amazonas und Pazifik und in die Llanos Orientales. Trotz der terroristischen und menschenverachtenden Übergriffe haben Vertreter der Indios immer wieder versucht, mit der Guerilla und paramilitärischen Gruppen Gespräche zu führen, ohne Erfolg. Drogenhandel Nach den Drogenhändlern und Kriminellen stellten sich die Guerilleros und Angehörige paramilitärischer Gruppen ein. Sie suchten nach Reichtum und der Möglichkeit, ihren Kampf aus dem Handel mit Rauschgift zu finanzieren. Schließlich folgten die Soldaten, die die Kokafelder mit Gift besprühen, die Antidrogenpolizei, das Heer - Maßnahmen im Zusammenhang mit dem von den USA finanzierten "Plan Kolumbien" ("Plan Colombia"). Die jungen Männer, die Massaker, Überfälle, Entführungen und Vertreibungen überstanden hatten, flohen in die Städte und verdingten sich als billige Arbeiter, als Erntehelfer, oder sie traten der Guerilla oder den "Paras" bei. So ist es bis heute geblieben. Die Frauen bleiben alleine zurück, und zahllose Kinder wachsen ohne Väter auf. Die Mütter müssen irgendwo Arbeit finden; währenddessen sorgen kleine Mädchen für ihre noch kleineren Geschwister und für die Alten. Krankheiten Vertreibungen, kulturelle Brüche Rechtslage Missionierung, Erziehung, Ethnopädagogik Um der gewaltsamen Akkulturation und der Macht der katholischen Kirche gegenzusteuern, schloss der Staat im Jahr 1962 ein Abkommen mit dem US-amerikanischen evangelikalen Instituto Lingüístico de Verano (Summer Institut of Linguistics). Es sollte die Hegemonie der katholischen Kirche zurückdrängen. Nun begann ein Proselitismus unter fundamentalistischem, protestantisch-erwecklichem Vorzeichen. Die als Linguisten getarnten Missionare setzten das Zerstörungswerk an der indigenen Kultur und ihren Lebensformen, Glaubensvorstellungen und Sprachen fort. Bis heute hält die katholische Kirche die Schulverwaltung in Gebieten wie Amazonia, Vaupés, Llanos und Tierradentro unter Kontrolle. Daneben schossen in den letzten Jahrzehnten die Kirchen und Kulträume der "Sekten" nordamerikanischer Provenienz wie Pilze aus dem Boden. Die Schulen der Weißen führen weiterhin zur Desintegration der indigenen Kinder und zur Exklusion aus ihrer Kultur. Erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts nehmen Indiogemeinschaften eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der kulturellen und religiösen Bevormundung ein. Sie entwickeln Prinzipien einer Erziehung, die an den Notwendigkeiten und der Entwicklung des Lebens der Indios orientiert ist. Zahlreiche Ethnien in der Sierra Nevada de Santa Marta, in Meta, Vichada und im Chocó haben für ihre Kinder Programme einer autochthonen Bildung und bilingualen Erziehung entworfen. Was sich abzeichnet, ist der Weg zu einer Ethnoerziehung im Geist der indianischen Minderheiten. Orientiert an den eigenen kulturellen Werten, entwickelt auch die afrokolumbianische Bevölkerung ähnliche Programme mit dem Ziel, die eigene ethnische Autonomie zu stärken und im Rahmen der Begegnung mit anderen Kulturen weiter zu entwickeln.
- Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR / ACNUR, Agencia de la ONU para los Refugiados) arbeitet auch in Kolumbien für die Vertriebenen und insbesondere für die Durchsetzung der Rechte ethnischer Minderheiten, deren Frauen und Kinder. Sie dringt darauf, dass sie den weltweit erklärten Rechten des Kindes (Erklärung der UNO, 1989) auch im Blick auf die Situation von Indiokindern Geltung verschafft wird. - Das kolumbianische Institut Bienestar Familiar (ICBF) entwickelt Programme zur Unterstützung der indianischen Gemeinschaften in besonderen Notlagen. Es erreicht mit seinen praktischen Programmen (Kinderspeisungen, Frühstücke, Einrichtung von Kindergärten usw.) angeblich 52 Prozent der indigenen Kinder und Jugendlichen (432.736 Adressaten im Jahr 2008). >LOS PUEBLOS INDÍGENAS EN COLOMBIA >ICBF BRINDA ATENCIÓN ESPECIAL A INDÍGENAS DEL PAÍS >La población indígena colombiana está siendo desvastada por el desplazamiento >SALUD INDÍGENA EN CUIDADOS INTENSIVOS >PUEBLOS INDÍGENAS DE COLOMBIA >http://www.eacnur.org/04_02_01.cfm?id=435 >http://www.etniasdecolombia.org/grupos_pueblos.asp >http://www.etniasdecolombia.org/grupos_etnoeducacion2.asp?cid=244&did=768 >http://colombia.indymedia.org/news/2009/01/97839.php >http://www.asambleanacional.gob.ve/index.php?option=com_content&task=view&id=20366&Itemid=27 >http://es.wikipedia.org/wiki/Poblaci%C3%B3n_ind%C3%ADgena_de_Colombia >INDÍGENAS Y CAMPESINOS GOLPEADOS POR EL CONFLICTO COLOMBIANO | ||||
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 15.01.2013 (s. admin) |