Amerika | Afrika | Asien | Europa | Australien | Bedrohte Kindheiten | Publikationen | Projekte | Medien

Suche:   


Amerika

Kindersoldaten in Kolumbien
(Text und Foto: Hartwig Weber, Juli 2009)

Inhaltsverzeichnis
Zahlen und Fakten

Guerillagruppen, Paramilitärs und staatliches Heer rekrutieren Kinder
Herkunft der Kindersoldaten
Motive
Aufgaben, Tätigkeiten
Maßnahmen zur Resozialisierung
Links

Mit 14.000 minderjährigen Soldaten steht Kolumbien an dritter Stelle derjenigen Länder der Welt, in denen Kinder und Jugendliche für den bewaffneten Kampf rekrutiert werden.

Soldat Comuna 13

Zahlen und Fakten
Nach Angaben des Hochkommissariats der UNO sollen im zurückliegenden Jahrzehnt bei bewaffneten Auseinandersetzungen weltweit zwischen 1,6 und 2 Millionen Minderjährige getötet, 6 Millionen verwundet und 1 Million zu Waisenkindern geworden sein. Im selben Zeitraum wurden 20 Millionen Mädchen und Jungen gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. In 87 Ländern wachsen Kinder in Gegenden auf, wo im Boden 60 Millionen Landminen schlummern. Ihnen fallen jedes Jahr 10.000 Minderjährige zum Opfer, indem sie verwundet oder getötet werden.

Die Zahl der Kinder, die weltweit als Soldaten kämpfen, wird auf 260.000 bis 500.000 geschätzt. In 20 Ländern der Erde werden Jungen und Mädchen rekrutiert, vor allem in Afrika, wo es 120.000 Kindersoldaten geben soll. Das Land mit den meisten Kindersoldaten der Welt ist Myanmar (Birma). Dramatische Verhältnisse herrschen auch in der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia, im Sudan, in Uganda und im Jemen. Berüchtigt sind darüber hinaus Burundi, Indonesien und Russland. Selbst reiche Länder wie USA und Großbritannien verpflichten Jugendliche von 16 Jahren für den Waffendienst und versprechen dabei, die Minderjährigen in Kämpfen erst einzusetzen, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben.

Hinsichtlich der Anzahl der Kindersoldaten liegt Kolumbien an dritter Stelle der Weltrangliste - nach Birma und der Demokratischen Republik Kongo. Human Right Watch schätzt die Zahl der minderjährigen kolumbianischen Soldaten auf 11.000, UNICEF und Save the Children auf 14.000. Mehrere Tausend sind jünger als 15 Jahre. In Lateinamerika ist Kolumbien das Land mit den meisten Kindersoldaten. Minderjährige stellen dort ein Drittel aller bewaffneten Kämpfer. Ein Drittel der kolumbianischen Kindersoldaten sind Mädchen.

Guerillagruppen, Paramilitärs und staatliches Heer rekrutieren Kinder
Die Rekrutierung von Kindern als Soldaten geht in Kolumbien auf das Konto der Guerillagruppen und der Paramilitärs. 80 Prozent der kolumbianischen Kindersoldaten gehören zur Guerilla, der Rest zu den Paramilitärs. Kinder sind billiger als erwachsene Soldaten, ihr Verlust leichter zu verschmerzen. Im Kampfeinsatz sind Minderjährige, je nach Aufgabenstellung, bisweilen geschickter und effektiver. Nach entsprechender Vorbereitung und intensivem Training sind sie skrupelloser als Erwachsene, denen sie auch beim Bedienen moderner leichter Waffen kaum nachstehen. Unter dem gezielten Einfluss von Drogen kann man Kinder offenbar in hemmungslose Mordmaschinen verwandeln.

Allein die Guerilleros der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) sollen in ihren Reihen 7.400 Kindersoldaten aufgenommen haben. Nach Schätzungen der kolumbianischen Regierung sind 25 bis 35 Prozent der Guerillakämpfer der FARC jünger als 18 Jahre. Zum Ejército de Liberación Nacional (ELN) zählen angeblich 1.500 Kindersoldaten, die ein Drittel der gesamten kämpfenden Truppe ausmachen. Zu den paramilitärischen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) gehören etwa 2.200 Kindersoldaten. Offiziell verpflichten die Paramilitärs nur Jugendliche im Alter über 18 Jahren, in Wirklichkeit sind viele ihrer Mitglieder jünger als 15. Die Minderjährigen werden mit einem attraktiven Sold (angeblich von mindestens 100 Dollar) sowie ausreichender Verpflegung und Bekleidung angelockt. Das staatliche Heer verpflichtet offiziell keine Minderjährigen. Dennoch werden von den Militärs Jugendliche zum Beispiel bei Aktivitäten des Geheimdienstes als Späher und Spione eingesetzt und auch entsprechend bezahlt.

Herkunft der Kindersoldaten
Die meisten Kindersoldaten stammen aus marginalisierten Familien. Sie haben selten einen Schulabschluss oder gar eine Berufsausbildung. Ihr Schicksal ist gekennzeichnet von Gewalt, Massakern und Vertreibungen. Oft haben Guerilla, Drogenmafia und Paramilitärs in den Heimatgegenden der jungen Menschen gewütet und die Bauern von ihrem Land vertrieben. Kindersoldaten sind deshalb oft Angehörige von Flüchtlingsfamilien. Grund für ihr Schicksal ist neben der Gewalt vor allem Armut. Wenn sie sich bewaffneten Gruppen anschließen, können sie sich Hoffnung auf Schutz und Auskommen, tägliche Nahrung und die Chance auf eine bessere Zukunft machen. Die meisten minderjährigen Soldaten sind Bauernkinder, viele stammen aus Indio-Gemeinschaften oder aus der afroamerikanischen Bevölkerung (>Indiokinder; >Afrokolumbianische Kinder).

Motive
Der überwiegende Anteil der Kindersoldaten meldet sich freiwillig zum Waffendienst. Sie suchen dort ein Auskommen, Schutz vor Gewalt und vor Missbrauch. Viele sind vor den unerträglichen Zuständen, der Ausbeutung und Gewalt in der eigenen Familie geflohen (>Innerfamiliäre Gewalt). Was sie treibt, ist Angst, die Perspektivlosigkeit ihres Lebens, das Abenteuer, die Hoffnung, mehr zu gelten. Unter den Kindersoldaten trifft man viele ehemalige Straßenkinder, die nichts mehr zu verlieren haben. Als Soldaten stehen ihnen Nahrung, Unterkunft und Kleidung zu.

Aufgaben, Tätigkeiten
Zusammen mit anderen Rekruten werden die Minderjährigen in den Lagern der Guerilleros und Paramilitärs in schwer zugänglichen Gebieten ausgebildet. Auf dem Tagesprogramm stehen Unterrichtung im praktischen Gebrauch von Waffen, Herstellung von Bomben und die Einführung in Militärstrategie. Der Nachwuchs wird ansonsten für Arbeiten in der Küche und im Wachdienst herangezogen. Die Kleinsten können geheime Botschaften überbringen, oder sie werden als Späher und Spione eingesetzt. Die Mädchen werden offenbar häufig von ihren Vorgesetzten sexuell missbraucht und ausgebeutet. Auch im bewaffneten Kampf beteiligen sich Kinder von 12 bis 14 Jahren. Sie sind nicht nur Zuschauer, sondern nehmen aktiv an Massakern und Massenhinrichtungen teil.

Wenn ein Minderjähriger fliehen und zu seinen Eltern zurückkehren will, wird er verfolgt und, wenn möglich, getötet. Im Bericht zur Lage der Kinder in der Welt hat UNICEF im Jahr 2004 darüber informiert, dass Minderjährige von Militärtribunalen verurteilt worden seien und dass andere Jugendliche die Strafe an ihnen vollzogen hätten. UNICEF berichtet auch, dass in Kolumbien Mädchen von weniger als 12 Jahren von ihren Familien an bewaffnete Gruppen zur Prostitution verkauft werden. Im Gegenzug wird den Eltern Verschonung vor gewaltsamen Übergriffen zugesichert.

Maßnahmen zur Resozialisierung
Im Oktober 1999 wurde in Kolumbien eine Initiative zur Resozialisierung von Kindersoldaten gestartet - "Coalición contra la vinculación de niños, niñas y jóvenes al conflicto armado". Mit der Parole "Kinder wollen keinen Krieg" ("Los niños y niñas no queremos estar en la guerra") sollte die nationale und internationale Öffentlichkeit aufgerüttelt werden. Dabei gab die Regierung bekannt, dass das Schicksal von 20 Prozent aller Mädchen und Jungen in Kolumbien direkt oder indirekt von den bewaffneten Auseinandersetzungen tangiert werde. Bereits damals schätzte man, dass zwischen 6.000 und 15.000 Kinder Mitglieder von Guerilla und Paramilitärs seien (vgl. Declaración del Defensor del Pueblo en la Conferencia Latinoamericana y del Caribe sobre el uso de niños como soldados, Montevideo, 5 - 8 julio, 1999). Seit 2002 verbieten die Vereinten Nationen in einem Zusatzprotokoll zur Erklärung der Rechte des Kindes, Minderjährige unter 18 Jahren als Soldaten zu rekrutieren. Seither haben die meisten Länder der Erde dieses Zusatzprotokoll unterschrieben. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag konnte nun gegen verschiedene Personen aus Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und Sierra Leone Verfahren wegen Missachtung der Menschenrechte von Kindern einleiten. Viele Staaten haben den genannten Vertrag zwar unterschrieben, weigern sich jedoch, ihn in nationales Recht umzusetzen.

Seit 2002 verpflichten sich paramilitärische Gruppen immer wieder, Kindersoldaten zu entlassen, ohne nennenswerten Erfolg. Im Jahr 2004 kam es zu Verhandlungen der Regierung mit FARC und ELN. Im selben Jahr übergaben Gruppen der AUC den Behörden 180 Kindersoldaten. Im Jahr 2005 entließen Guerillagruppen und Paramilitärs weitere 800 Jugendliche im Alter bis zu 18 Jahren. Gleichzeitig halten sie Tausende Jugendlicher weiter unter Waffen, und die Gesamtzahl der Minderjährigen, die sich den illegalen Gruppen und städtischen Milizen verdingt haben, ist weiter angestiegen.


Links

>UNA RADIOGRAFÍA PLANETARIA DE LOS NIÑOS SOLDADOS

>7.000 MENORES SOLDADOS EN COLOMBIA

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 22.06.2016 (s. admin)Online Kompetenz  |  Sitemap  |    |