Vertreibungen, Landflucht Inhaltsverzeichnis Vertrieben von Guerilleros der FARC - Zwischenstopp in Manaure, 2007
Die Zahl der Flüchtlinge der Welt wird auf 25 Millionen, die der Binnenflüchtlinge Kolumbiens auf 2,5 bis 4 Millionen geschätzt. Damit gehört Kolumbien - vor dem Irak und Kongo und nach dem Sudan - zu den am stärksten betroffenen Ländern. Von 2002 auf 2003 war die Zahl der (registrierten) Vertriebenen um die Hälfte (von 412.553 auf 207.607) gefallen; dann aber stieg sie wieder an: 2004 waren es 287.000, 2006: 221.368, 2007: 305.996 (Radio Caracol vom 28. Februar 2008). Frauen und Minderjährige machen den größten Teil der Flüchtlinge aus. Der kolumbianische Paramilitarismus entstand in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als Zivilisten zur Bekämpfung der Aufständischen angeworben, ausgebildet und eingesetzt wurden. Sie sollten, auf ausdrücklichen Wunsch der Regierung, die Streitkräfte unterstützen und durften Waffen tragen. Dachverband der verschiedenen rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen sind die im Jahr 1997 gegründeten Autodefensas Unidas de Colombia (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens, AUC). Ihr offizielles Ziel ist es, die Guerillabewegung militärisch zu besiegen und die Schwäche des Heeres zu kompensieren. Bei ihrem bewaffneten Kampf schont die AUC keineswegs die Zivilbevölkerung, die sie bezichtigt, die Guerilla zu unterstützen. Wie die Guerilla, so finanziert sich auch die AUC durch den Drogenhandel. Seit den achtziger Jahren machen sich die Paramilitärs schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig. Mit einer langen Reihe von Massakern, der Praxis des Verschwindenlassens von Personen und außergerichtlichen Hinrichtungen haben sie sich weltweit einen berüchtigten Ruf erworben. Wie die Guerilla, so werden auch die Paramilitärs zum Beispiel von der EU auf der Liste der Terrororganisationen geführt. Seit 2002 verhandelt die kolumbianische Regierung mit ihnen. Bis 2005 sollten alle paramilitärischen Gruppen demobilisiert und amnestiert werden. Tatsächlich wurde dieses Ziel nur teilweise erreicht. Campesinofamilie, gestrandet in Medellín, 2007 2005 erließ die kolumbianische Regierung das "Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden". Danach werden die begangenen Schwerverbrechen der Paramilitärs wie politische Vergehen beurteilt, vorausgesetzt, sie liefern ihre Waffen ab, gestehen und denunzieren Delikte, von denen sie Kenntnis haben. Zahlreiche Mitglieder der Selbstverteidigungsgruppen nutzen zwar die Gunst des Befriedungsprozesses, den ihnen die Regierung bietet, anschließend aber vereinigen sie sich zu neuen paramilitärischen Banden. Drogenmafia Militär und Polizei sind angehalten, die Bauern und Kolonisten zu kontrollieren und im Rahmen des von den USA finanzierten "Plan Colombia" (Krieg den Drogen) aufgefundene Kokafelder mit Gift zu besprühen oder die Pflanzen auszureißen. Der Plan Colombia und die militärischen Übergriffe haben insbesondere im Süden des Landes (Departament Putumayo und im Grenzgebiet zu Ecuador), wo im Antidrogenkrieg 1000 Soldaten und alle zur Verfügung stehenden Flugzeuge aufgeboten wurden, zu massiver Vertreibung und Flüchtlingsströmen geführt. In Manaure (Cesar) wurden bei der Besprühung von 500 Hektar Land mehr als 100 Hektar insbesondere mit Früchten (Baumtomaten, Lulo, Yuca, Bananen) angebauten Kulturlandes zerstört. Damit wurde den Bauern die Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen, und sie drohten, vor Hunger zu sterben. So führt das Vorhaben der Regierung, die heimlich angelegten Kokaplantagen zu vernichten, zu verheerender Umweltzerstörung und zu massiver Verstärkung der Fluchtbewegungen. Comuna 13, Medellín 2007
Die Flüchtlinge stranden in den Slums der großen Städte Slums entstehen oft aus illegalen Besetzungen ("invasiones"). Diese Entwicklung, die in den letzten Jahren stetig zunahm, wird voraussichtlich auch in Zukunft anhalten. Die meisten Flüchtlinge landen in der Hauptstadt Bogotá. Dort kommen Tag für Tag bis zu 50 neue Familien an. Sie tauchen in der Masse der Menschen in den Elendsgürteln der Städte unter und werden Teil des Heeres der Marginialisierten, entrechtet, stigmatisiert und auf lange Sicht perspektivlos. In den Slums sind die Wohnverhältnisse unzureichend. Meist fehlt eine Anbindung an die städtische Infrastruktur. Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Umweltzerstörung sind Alltag. In den Flüchtlingsfamilien fehlen die Väter. Oft sind sie ermordet oder entführt worden. Aufgrund der Lebensbedingungen auf dem Land sind die Flüchtlinge meist unterdurchschnittlich gebildet. Flüchtlingskinder finden nur schwer Zugang zur Schule und zu einer Berufsausbildung, und ihre Eltern haben kaum Aussicht auf eine Beschäftigung und schon gar nicht auf eine dauerhafte Arbeitsstelle. Staatliche, kirchliche und private Hilfsprogramme bemühen sich darum, die Marginalisierten zu integrieren und sie in die Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Sie versuchen, ihnen Zugänge zum Bildungswesen zu eröffnen und Hilfe bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu leisten. Angesichts der ohnedies herrschenden Arbeitslosigkeit ist dies ein fast aussichtsloses Unterfangen. Es ist auch praktisch unmöglich, die Vertriebenen in ihre Heimat zurückzuführen, wo der Staat weder präsent noch durchsetzungsstark ist.
Innerstädtische Migration Wenn die Landflüchtlinge in den ohnedies schon überfüllten Slums eine Bleibe finden, sehen sie sich erneuter Repression, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. In den Elendsvierteln etwa im Süden Bogotás (Ciudad Bolívar) oder in den Comunas von Medellín werden die aufbrechenden Konflikte blutig ausgetragen. Kriminalität, Drogenhandel und Prostitution schaffen eine Atmosphäre der Bedrohung. Guerilla und paramilitärische Gruppen haben dort längst Fuß gefasst. Zusammen mit bewaffneten Jugendbanden und Milizen schaffen sie eine Atmosphäre des Terrors und der Gewalt. Angeheizt durch den großen Bedarf, steigen die Grundstückspreise und Mieten. Zusehends werden die Angehörigen der unteren Mittelklasse aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Sie siedeln ins Umland der Städte um, wo neue Zentren der Armut entstehen. Unter dem Druck der Verhältnisse zerbrechen nicht selten die Familien der Flüchtlinge, die ohnedies keine Gelegenheit finden, die Traumata der Vertreibung und Entwurzelung, des Terrors und Kulturschocks in der Stadt zu verarbeiten. Viele Straßenkinder stammen aus Flüchtlingsfamilien. Auf die Frage, weshalb sie auf der Straße leben, verweisen sie oft auf Misshandlungen und mangelnde Fürsorge, die ihnen ihre überforderte Eltern zugefügt haben (>Innerfamiliäre Gewalt) Auswanderungen
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 15.01.2013 (s. admin) |